Schwangerschaft und systemischer Lupus Erythematodes
 
Allgemeines über Schwangerschaft:
 
Bis vor wenigen Jahren stand in der Behandlung des systemischen Lupus erythematodes (SLE) vor allem die Frage der Lebenserhaltung im Vordergrund. Mit den verbesserten diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten richtet sich das Vorgehen heute zunehmend an der Lebensqualität der Patienten aus. Schwangerschaften in Verbindung mit dem SLE waren daher in der Vergangenheit eher selten. Daher bestanden meist nur wenig persönliche Erfahrungen des Arztes im Umgang mit Problemen des Gesamtrisikos, der Therapienotwendigkeit und der Prognose sowohl der Mutter als auch des Kindes. Für SLE-Patientinnen stellt sich die Frage, ob für sie eine normale Schwangerschaft möglich ist und ob die Kinder gesund zur Welt kommen. Außerdem besteht häufig das Problem, dass möglicherweise auch in der Schwangerschaft eine Therapie notwendig ist. Die Beratung und Betreuung von Schwangeren aus rheumatologischer Sicht wird somit ein immer häufiger anzugehendes medizinisches Problemfeld.
 
Häufigkeit und Ursache des SLE:
 
Ein SLE kommt in Deutschland bei etwa 20 - 30/100.000 Einwohnern vor; Frauen erkranken wesentlich häufiger an einem SLE als Männer (9:1). Die Ursache des SLE ist ungeklärt, es wird aber unter anderem aufgrund dieser deutlichen Bevorzugung des weiblichen Geschlechts ein Zusammenhang mit weiblichen Hormonen, den Östrogenen, diskutiert. Andere bekannte ursächliche Faktoren sind bestimmte Erbanlagen (es sind z.B. mehr Schwarze als Weiße betroffen, es findet sich häufig ein angeborener Komplementmangel). Außerdem vermutet man in äußeren Faktoren wie UV-Bestrahlung einen Umstand, der die Entwicklung eines SLE begünstigt. Die Tatsache, dass der SLE nach den Wechseljahren meist milder verläuft und dass Krankheitsaktivierungen durch die Einnahme von Hormonpräparaten wie der "Pille" beschrieben wurden, sprechen ebenfalls für einen Zusammenhang mit weiblichen Hormonen.
Wird der SLE durch eine Schwangerschaft aktiviert?

Noch vor kurzem vertrat man die Ansicht, dass SLE-Patientinnen aus Furcht vor einer Aktivierung der Erkrankung und wegen eines mit der Krankheit verbundenen Risikos für die Kinder nicht schwanger werden sollten. 1955 wurde in einer Studie eine Aktivierung der Erkrankung während der Schwangerschaft und im Wochenbett bei fast der Hälfte der untersuchten SLE-Patientinnen beschrieben; ein Drittel der Kinder starb! Spätere Untersuchungen beschrieben in 50-60 % eine Aktivierung des SLE in der Schwangerschaft. Die tödlich verlaufenden Komplikationen der Frauen sanken aber auf nahezu 0 %, während die kindliche Sterblichkeit unverändert bei ca. 30 % blieb. Verschiedene Untersuchungen nach 1980 ergaben in 7-50 % eine Aktivierung des SLE.

Diese sehr unterschiedlichen Ergebnisse lassen sich unter anderem dadurch erklären, dass wir heute durch die uns zur Verfügung stehenden verfeinerten Labormethoden mit empfindlicheren Tests die Diagnose eines SLE früher bzw. auch bei leichten Krankheitsverläufen stellen können. Möglich ist auch, dass die Zahlen ungenau sind, weil man vielen Frauen aus Angst vor negativen Auswirkungen von vorneherein von einer Schwangerschaft abgeraten hat. Die Aussagekraft der meisten Untersuchungen ist außerdem insofern eingeschränkt, als es sich meist um sogenannte Fall-kontrollierte Studien handelt. Das heißt, man hat eine Gruppe von Patientinnen vor, während und nach der Schwangerschaft untersucht und den Verlauf dokumentiert. Es gab aber zur exakteren Gegenüberstellung keine direkte Vergleichsgruppe von Patientinnen, die nicht schwanger waren. Die Ergebnisse der Studien sind dementsprechend sehr unterschiedlich.

Beispielsweise kam eine holländische Studie aus dem Jahr 1990 zu dem Ergebnis, dass es in fast zwei Dritteln zu einer Steigerung der SLE-Krankheitsaktivität in der Schwangerschaft kam.

Schwere Schübe gab es nur selten, meistens handelte es sich um eher leichtere Krankheitssymptome wie Hautveränderungen, Gelenkbeschwerden, Rippenfellentzündungen, milde Blutbildveränderungen (z.B. Verringerung der Blutplättchen). Schwerwiegende Komplikationen wie Nieren- und ZNS-Beteiligung wurden nur vereinzelt beobachtet.

Zu einem vollkommen gegensätzlichen Ergebnis kam eine vielbeachtete amerikanische Untersuchung 1989. Es handelt sich um eine prospektive Studie an 80 SLE-Schwangerschaften. Hier zeigte sich nur bei 8 Frauen eine Steigerung der Krankheitsaktivität, und auch nach der Entbindung fand man keine vermehrten Schübe. Mögliche Gründe für die verschiedenen Ergebnisse können sein, dass man andere Ursachen für bestimmte Krankheitszeichen übersehen hat. Dies kann z.B. eine auch bei sonst Gesunden in 10 % der Schwangerschaften vorkommende Schwangerschaftsvergiftung" (Praeeklampsie) sein. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Ursachen ist wegen der hierbei vorkommenden ähnlichen Krankheitszeichen (Nierenversagen, Ödeme, Bluthochdruck, Gelenkbeschwerden) auch für den erfahrenen Rheumatologen schwierig. Neben der Schwangerschaft kann für eine Aktivierung der Erkrankung auch das Absetzen bzw. die Reduktion der vorher bestehenden Lupus-Therapie die Ursache sein.

Einfluss des systemischen Lupus erythematodes auf eine Schwangerschaft:
 
Generell kann man sagen, dass die Fruchtbarkeit von SLE-Patientinnen nicht eingeschränkt ist. Allerdings kommt es bei vielen Patientinnen in Phasen hoher Krankheitsaktivität zu einem Ausbleiben der Regelblutung und des Eisprungs und somit zu einem Schutz vor einer Schwangerschaft. Die Häufigkeit von Fehlgeburten ist gegenüber "normalen" Frauen allerdings insgesamt gesteigert, sie liegt bei bis zu 40 % (normal ca. 10-15 %). Außerdem gibt es eine erhöhte Zahl von Frühgeburten und Kindern mit niedrigerem Geburtsgewicht. Die größte Untersuchung hierzu ist eine Studie aus den USA (1993). 400 SLE-Schwangerschaften wurden mit Schwangerschaften von "normalen" Müttern verglichen.
Dabei zeigte sich eine etwa doppelt so hohe Zahl an missglückten Schwangerschaften bei SLE-Patientinnen. Den Grund für diese Unterschiede kennt man nicht genau, neben möglichen Gefäßveränderungen in der Plazenta diskutiert man den Übertritt von mütterlichen Antikörpern über die Plazenta zu dem Kind. Es gibt verschiedene Studien, die zeigen, dass die Krankheitsaktivität zum Zeitpunkt des Schwangerschaftseintritts für das Ausgehen dieser Schwangerschaft von wichtiger Bedeutung ist. Das Risiko einer Fehl- oder Frühgeburt erhöht sich bei aktivem SLE um das Dreifache. Eine inaktive Krankheitsphase zu Beginn einer Schwangerschaft ist dagegen günstig!

Zusammenfassung:

Man steht heute einer Schwangerschaft bei SLE-Patientinnen eher positiv gegenüber. Bei einer schweren Krankheitsaktivität und insbesondere bei einer aktiven Nierenbeteiligung oder einer ZNS-Beteiligung sollte auf eine Schwangerschaft wegen der Risiken für Mutter und Kind aber verzichtet und diese eventuell zu einem günstigeren Zeitpunkt geplant werden.
Besteht ein Schwangerschaftswunsch, so sollte dies möglichst mit dem behandelnden Arzt besprochen werden. Die Risiken lassen sich durch eine regelmäßige Überwachung und Planung der Schwangerschaft vermindern. Es bestehen deutlich bessere Chancen für die Geburt eines gesunden Kindes, wenn der SLE bei Eintritt einer Schwangerschaft inaktiv ist. Eine bereits bestehende medikamentöse Therapie wird auf ihre Notwendigkeit überprüft. Medikamente können gezielt abgesetzt werden, wenn es die Krankheitsaktivität erlaubt. Nach Beendigung einer Therapie sollte die Schwangerschaft aber frühestens nach 3 - 4 Monaten geplant werden, da das Absetzen dieser Medikamente einen Schub auslösen kann. Auch während einer Schwangerschaft gibt es verschiedene, risikoarme Therapiemöglichkeiten (s.o.).
Wichtig ist eine regelmäßige immunologische und gynäkologische (Sono, Duplex) Überwachung. Generell muss jede Entscheidung und Empfehlung individuell getroffen und mit der Patientin besprochen werden. Eine enge Zusammenarbeit zwischen dem behandelnden Rheumatologen, Gynäkologen und der Patientin unterstützt hierbei einen positiven Schwangerschaftsverlauf.

FAZIT: Traut Euch Ihr schafft das! Gibt einem neuen Leben eine Chance. Ihr werdet es nicht bereuen.

 

 

  Weitere Informationen und Hilfe für Patienten, Familie und Freunde sowie alle, die sich für die Krankheit interessieren findet Ihr in der Lupus-Selbsthilfegemeinschaft unter:

 www.lupus.rheumanet.org!

 

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